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Niccolo Machiavelli - Biographie


1469

Am 3. Mai 1469 "in der vierten Stunde", wie das Taufregister des Duomo berichtet, wird Niccolo Pietro Michele Machiavelli (er selbst schrieb Florenzsich zeitweise auch Machiavegli) in Florenz als Sohn des mäßig wohlhabenden Notars Bernardo Machiavelli (1428-1500) und seiner Ehefrau Bartolomea de´ Nelli geboren. Machiavelli wird drei Geschwister haben, zwei Schwestern, Primerana und Margherita, und einen Bruder, Totto, der die Laufbahn des Priesters einschlagen wird.

Das Geburtshaus liegt im südlichen Teil der Stadt (Oltrarno), in der heutigen Via Guicciardini, zwischen der Ponte Vecchio und dem Palazzo Pitti!


1469 übernimmt Lorenzo de´ Medici (il Magnifico - der Prächtige) die Regierung in der Arnostadt. Neben Lorenzo de' Medici leitet sein Bruder Giuliano, ohne fest umschriebenes Amt, das Geschick der knapp 90000 Einwohner zählenden und wirtschaftlich prosperierenden Stadt.

Alleinherrscher (republikanische Institutionen beibehaltend) wird Lorenzo erst nach der Ermordung seines Bruders durch die Verschwörung der Familie Pazzi (1478), bei der Lorenzo nur knapp mit dem Leben davonkommt.


Die Stadtpolitik wird von Familienclans beherrscht. Die Verschwörung der Pazzi, die auch von kurialen Kreisen und vermutlich Papst Sixtus IV. selbst mitgeplant wurde, stellt den Höhepunkt des städtisch/famililiären Machtkampfes um Florenz dar.

Die Verschwörer, darunter der Pisaner Erzbischof, wurden am Fenster des Palastes der Signoria erhängt, dann die Stricke durchgeschnitten und die Leichen dem Volk preisgegeben.

Das Ereignis, das eigentlich den Ruin der Medici herbeiführen sollte, wirkte sich im Ergebnis zu ihrem Triumph aus.


1474 - 1494

Niccolo Machiavelli verbringt seine Jugend während des `goldenen Zeitalters´ der Renaissance in ihrem wahren kulturellen Brennpunkt - Florenz.


Jacob Burckhardt schreibt in seiner Kulturgeschichte der Renaissance:


"Die Florentiner sind in manchen Dingen Vorbild und frühester Ausdruck der Italiener und der modernen Europäer überhaupt, und so sind sie es auch mannigfach für ihre Schattenseiten."


Lorenzo de´ Medici (geb.1449) schafft während seine Herrschaft, die bis zu seinem Tod 1492 währt, dauerhaften inneren Frieden und äußere Sicherheit (pax medicea) für Florenz.

Als Mäzen versammelt 'Lorenzo der Prächtige' die hervorragendsten Künstler, Wissenschaftler und Philosophen seiner Zeit in Florenz: Lorenzo de Medicidie beiden genialen 'homo universalis' Leonardo da Vinci und Leon Battista Alberti, die Künstler Botticelli, Michelangelo gehören ebenso dazu wie die Philosophen Marsilio Ficino und Pico della Mirandola. Um nur die Größten zu nennen. Sie stehen stellvertretend für den Mythos der Renaissance, den maßgeblich Jacob Burckhardt in seinem Hauptwerk über 'Die Kultur der Renaissance in Italien' gestaltet hat. Lorenzo de´ Medici entfaltete selbst eine intensive schriftstellerische Aktivität und trug mit seinen philosophischen Schriften und lyrischen Dichtungen zum Übergang des Humanismus vom Latein zum Italienischen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bei.


Ein anderer Schriftsteller und versierter Italienkenner, Ferdinand Gregorovius (1821-1891) äußert sich enthusiastisch über das Renaissance-Florenz in seinen 'Wanderjahren in Italien':


"Wandelt man unter diesen Statuen so großer und edler Männer, so muß man den unerschöpften Reichtum der kleinen Republik Florenz wahrlich anstaunen, welche den Vergleich mit Athen dreist aushalten darf. Denn andere Städte Italiens waren groß und größer auf eine andere Weise, wie Rom, Genua und Venedig, in Florenz allein hatten alle Künste und Wissenschaften Jahrhunderte hindurch ein gemeinsames Vaterland. Dies zu beweisen, genügt es fast nur die Namen jener Männer, die nun in den Uffizien aufgestellt sind, von ihren Fußgestellen zu lesen: Andrea Orcagna, Niccolo Pisano, Giotto, Donatello, Leon Battista Alberti, Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarroti, Dante Alighieri, Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio, Niccolo Machiavelli, Francesco Guicciardini, Amerigo Vespucci, Galileo Galilei, Giovanni delle bande nere, Francesco Redi, Paolo Mascagni, Andrea Cesalpino, Santo Antonino, Francesco Accorso, Guido Aretino, Benvenuto Cellini, Farinata degli Uberti, Pier Capponi, Francesco Ferrucci, Cosimo Pater Patriae, Lorenzo il Magnifico. Wohl ein großer Verein edler Geister! Das kleine Volk Toskanas, ja fast nur eine Stadt brachte sie hervor, Florenz in jedem Sinne blühend, wie sein Name sagt, umhegt von den Olivenbäumen der Minerva, welche nur Sinnbilder seiner friedlichen Künste scheinen. Und gewiß, man weiß nicht, was mehr für die Größe von Florenz spricht, daß hier schon so viele Genies beisammen stehen, oder daß deren hier noch so viele fehlen, die entweder die nächste Zeit noch aufstellen wird, oder denen die Enge des Raumes ein Ehrendenkmal nicht mehr gestattet."


Mit dem Portrait Albertis skizziert Burckhardt gleichsam den Geist einer Epoche:


"Über diesen Vielseitigen aber ragen einige wahrhaft Allseitige hoch empor(...): Leon Battista Alberti. Seine Biographie [Vasari]- nur ein Fragment spricht von ihm als Künstler nur wenig und erwähnt seine hohe Bedeutung in der Geschichte der Architektur gar nicht; es wird sich nun zeigen, was er auch ohne diesen speziellen Ruhm gewesen ist.

In allem, was Lob bringt, war Leon Battista von Kindheit an der erste. Von seinen allseitigen Leibesübungen und Turnkünsten wird Unglaubliches berichtet, wie er mit geschlossenen Füßen den Leuten über die Schultern hinwegsprang, wie er im Dom ein Geldstück emporwarf, bis man es oben an den fernen Gewölbe anklingen hörte, wie die wildesten Pferde unter ihm schauderten und zitterten - denn in drei Dingen wollte er den Menschen untadelhaft erscheinen: im Gehen, im Reiten und im Reden.

Die Musik lernte er ohne Meister, und doch wurden seine Kompositionen von Leuten des Faches bewundert. Unter dem Drucke der Dürfigkeit studierte er beide Rechte, viele jahre hindurch, bis zu schwere Krankheit durch Erschöpfung; und als er im 24. Jahre sein Wortgedächtnis geschwächt, seinen Sachensinn aber unversehrt fand, legte er sich auf Physik und Mathematik und lernte daneben alle Fertigkeiten der Welt, indem er Künstler, Gelehrte und Handwerker jeder Art bis auf die Schuster um ihre Geheimnisse und Erfahrungen befragte. Das Malen und Modellieren - namentlich äußerst kenntlicher Bildnisse, auch aus dem bloßen Gedächtnis - ging nebenein...Dazu kam eine schriftstellerische Tätigkeit zunächst über die Kunst selber, Marksteine und Hauptzeugnisse für die Renaissance der Form, zumal der Architektur. dann lateinische Prosadichtung, Novellen u. dgl., von welchen man einzelnes für antik gehalten hat, auch scherzhafte Tischreden, Elegien und Eklogen...Es versteht sich von selbst, daß eine höchst intensive Willenskraft diese ganze Persönlichkeit durchdrang und zusammenhielt; wie die Größten der Renaissance sagte auch er:"Die Menschen können von sich selbst aus alles, sobald sie wollen." Und zu Alberti verhielt sich Lionardo da Vinci wie zum Anfänger der Vollender, wie zum Dilettanten der Meister"


Über Machiavellis Erziehung ist wenig bekannt. Eine Quelle, das vom Vater Bernardo zwischen 1474 - 1487 geführte 'Libro di Ricordi' (gleichsam ein Haushaltsbuch, worin buchhalterisch Einnahmen und Ausgaben notiert wurden), gibt wenigstens die Auskunft, dass Niccolo in den 'studia humanitatis' unterwiesen wurde.

Der Vater ließ sich die Erziehung trotz mangelnder Mittel durchaus etwas kosten. Jeder Soldi ist vermerkt. Sein Sohn Niccolo erhielt demnach die notwendige Ausbildung, um in Florenz zu bestehen und womöglich ein politisches Amt zu erreichen. Unter dem Gelehrten Marcello di Virgilio, Professor der griechischen und römischen Literatur, erwirbt Machiavelli eine fundierte humanistische Bildung. Lieblingsschriftsteller Machiavellis sind Tacitus und Livius, über den er später seine berühmten 'Discorsi' schreiben wird.

Hier nur am Rande: Francesco Guicciardinis (der spätere Freund Machiavellis) berühmtes politisches Gedankenbuch 'Ricordi' wurzelt in der Tradition des eben erwähnten Haushaltsbuches, gleichsam ein politisches 'Sudelbuch'.


1494-1498

Die aktive politische Karriere Machiavellis beginnt 1498.


Vorausgegangen waren politische Erdbeben in der europäischen, der italienischen und insbesondere der Politik in Florenz. 1492, nach dem Tod Girolamo SavonarolaCosimos übernahm zunächst der Sohn, der unfähige Piero de Medici, die Herrschaft.

1494 besetzt Karl VIII. von Frankreich, der mit einer Streitmacht von 30000 Soldaten in Italien einfällt, auf seinem Marsch nach Neapel, auf das er Erbansprüche geltend macht, Florenz. Es zerbricht das italienische Machtgefüge, dass vom Gleichgewicht verschiedener Stadtstaaten (Venedig, Mailand, Florenz, Vatikan, Neapel) bestimmt worden war. Italien wird nun zum Schlachtfeld der internationalen Nationalstaatspolitik und einer massiven finanziellen Ausplünderung und Zerstörung, die im 'sacco di roma' gipfelt. Jacob Burckhardt schreibt in seinen historischen Fragmenten zum Krieg von 1494:


"Für die erst neuerlich ganz mächtig gewordenen Großstaaten beginnen jetzt Flegeljahre der großen Politik nach außen."


Piero de´ Medici, der sich übermäßigen Forderungen der Franzosen nicht entgegenstellt und sich, ohne die Gremien der Stadt zu befragen, Zugeständnisse abnötigen läßt, wird durch den Bußprediger Savonarola (geb. 1452; Spross einer Gelehrtenfamilie in Ferrara) vertrieben. Der charismatische Dominikanerprior, der ursprünglich auf Empfehlung Pico della Mirandolas von Lorenzo de' Medici nach Florenz ´gerufen worden war, installiert in Florenz eine Theokratie und will die Stadt zu einem 'neuen Jerusalem' machen. Er gibt der Stadt eine radikaldemokratische Verfassung. Es kommt Karneval 1497 zu Bilderstürmungen und dem feierlichen Verbrennen von Luxusartikeln. Jugendliche Denunzianten durchsuchen die Häuser der Florentiner nach Luxusgütern und Spielkarten usw.


Auch der große Gelehrte Pico della Mirandola (1463-1494), der mit seiner Rede 'Über die Würde des Menschen' ('Oratio de hominis dignitate') von 1486 einen der Grundtexte des Humanismus und der Renaissancephilosophie generell formuliert, gerät in den Bann Savonarola. Der hochgebildete Erbe eines fürstlichen Besitzes und Sammler einer der größten Bibliotheken seiner Zeit wollte schließlich seine Besitztümer verschenken und ein Predigerdasein führen. Er stirbt, vermutlich vergiftet von seinem Sekretär wegen seiner Sympathien für Savonarola, am 17. November 1494 in Florenz, bevor er seinen Plan verwirklichen konnte. Pico beginnt seine programmatische Schrift über die Würde des Menschen mit folgenden Worten:"


Hochverehrte Väter! In den Schriften der Araber habe ich gelesen, der Sarazene Abdala habe auf die Frage, was sozusagen auf der Bühne dieser Welt als das Bewundernswerteste erscheine, geantwortet, nichts erscheine der bewunderung würdiger als der mensch. Dieser Ansicht pflichtet jener Ausspruch des Merkur bei:"Asklepius, ein großes Wunder ist der Mensch." Als ich über die Bedeutung dieser Worte nachsann, stellten die vielen Äußerungen mich nicht zufrieden, die über die Vortrefflichkeit der menschlichen Natur von vielen Leuten vorgetragen werden, es sei der Mensch der Mittler unter den Geschöpfen, den Wesen über ihm sei er ein vertrauter Freund, und Lenker sei er dener, die tiefer stehn als er; mit der Schärfe seiner Sinne, mit seinem Forschergeist und mit dem Lichte seines Verstandes begreife er die Natur, zwischen ewiger Dauer und verfließender Zeit sei er das Zwischenglied, sei (wie die Perser sagen) mit der Welt verbunden, ja sei sogar mit ihr vermählt und stehe nach dem Zeugnis Davids im Rang nur wenig unterhalb der Engel."


Vier Jahre regiert der demagogische, prophetische Dominikaner Girolamo Savonarola, wobei seine Popularität und sein Rückhalt in Florenz jedoch zunehmend schwächer wird. Seine Verheißung des Wohlstands und des Friedens hatte sich nicht bewahrheitet. Vielmehr erfuhr Florenz Hungersnot, Pest und eine erst in letzter Minute abgewehrte Belagerung der von Rom aus formierten italienischen Liga; das Festhalten an Frankreich drohte Florenz zu isolieren und in die Rolle des Verlierers mit hineinzureißen.

Dazu kam das Predigtverbot und schließlich die Exkommunizierung durch Alexander VI. (Rodrigo Borgia). Die permanente Feindschaft der einflussreichen Gruppe der sog. 'Arrabiati' (die Wütenden) und schließlich auch der 'Bigi' (Anhänger der Familie Medici) bewirken, dass Savonarola seine Machtbasis verliert, die er auch durch seine unerlaubten Predigten nicht mehr festigen kann.

Nachdem es zu bürgerkriegsähnlichen Aufständen in Florenz kommt, stellt sich Savonarola im Frühjahr 1498 der Signoria und wird zusammen mit Domenico da Pescia und Silvestro Maruffi inhaftiert. Im Rat der Achtzig entscheidet man, die Mönche zu verschonen und nur Savonarola zu bestrafen. Das Verbot gegen die Tonsurierten vorzugehen, wird jedoch sofort von Alexander aufgehoben, der die Auslieferung der Angeklagten fordert.

Am 10. April 1498 beginnen in Florenz die Verhöre und Savonarola wird der Folter unterzogen. Am 19. April wird das erste Verfahren veröffentlicht, das mit seinen geschickt manipulierten Zeugenaussagen ungeheuren Eindruck hervorruft. Eine neue Vernehmung findet zwischen dem 21. und 24. März statt. Auch der Bericht des zweiten Prozesses kann zum Großteil als Fälschung angesehen werden. Am 20. Mai beginnt der dritte Prozess, von dem nur unvollständige und unzuverlässige Zeugnisse geblieben sind.

Am 22. Mai wird das Todesurteil verkündet, und am 23. Mai 1498 werden die drei Mönche, nachdem sie entweiht wurden, zum Galgen geführt, gehängt und schließlich verbrannt.

Noch heute zeugt eine Bodenplatte auf der Piazza della Signoria von diesem spukhaften Ereignis und auf einem anderen städtischen Platz findet sich sogar ein Denkmal des Eiferers - der Mönch mit dämonischen Blick in seiner Kutte. Und in seinem Kloster San Marco gibt es noch seine Zelle zu besichtigen.


Anders als die großen Reformatoren Hus, Luther oder Calvin hatte Savonarola keinen nachhaltigen Einfluss auf die italienische Geschichte und Gesellschaft.


Machiavelli wird Savonarola später als notwendig in der Politik scheiternden 'unbewaffneten Prediger' bezeichnen - Macht ohne Waffengewalt kann schlechterdings keinen Bestand haben.

Auch handelt einer der frühesten überlieferten Texte Machiavellis von Savonarola. Er liefert in einem Brief an einen Freund in Rom einen subtil beobachteten Bericht über zwei Predigten des Dominikanerpriors, bei denen er anwesend war. Luzide analysiert er die hochtrabenden, phrasenhaften Reden als letzten Versuch des Predigers, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Er demaskiert den Propheten und dessen Rhetorik.


Übrigens, am Rande: Thomas Manns einziges Drama "Fiorenza" von 1904 rückt Savonarola in den Mittelpunkt. Es ist das Drama vom Kampf um Florenz zwischen dem lebenshungrigen Lorenzo il Magnifico, der ein Krüppel ist, der schönen Fiore, seiner Geliebten, der Verkörperung der Lebensfülle, und dem Prior Girolamo Savonarola, der die heidnische Welt der Schönheit haßt.


Unter vier Bewerbern wird der neunundzwanzigjährige Machiavelli am 19. Juni zum Sekretär der 'Zweiten Kanzlei' (Segretario della Repubblica), eine Art Kriegs- und Außenministeriums, ernannt. Diese 'Zweite Kanzlei' (Seconda Cancellaria) befand sich unter der Leitung des 'Rats der Zehn' (Dieci di pace e di libertà), zu dessen Sekretär Machiavelli schließlich am 14. Juli 1498 auch gewählt wird.


Machiavelli befindet sich mit knapp dreißig Jahren im Zentrum der Macht der Republik Florenz.





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