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Seht, wie es Gott anruft, er möge einen senden, der es von der Grausamkeit und dem Übermut der Barbaren erlöst! Seht, wie bereit und willig es ist, der Fahne zu folgen, wenn nur einer käme, der sie ergriffe. Es ist aber gegenwärtig keiner, auf den es hoffen könnte, wenn nicht in Eurem erlauchten Hause, welches durch seine Tüchtigkeit und sein Glück, von Gott und der Kirche begünstigt, an deren Spitze es jetzt steht, die Führung bei diesem Befreiungswerk ergreifen könnte. Das wird Euch nicht schwerfallen, wenn Ihr die Taten und das Leben der oben dargestellten Personen Euch vor Augen haltet. Und obwohl das seltene und hervorragende Menschen waren, so waren sie doch Menschen, und keiner von ihnen hatte so günstige Gelegenheit wie gegenwärtig; denn ihre Unternehmungen waren weder gerechter noch leichter als diese, noch war Gott mehr mit ihnen als mit Euch. Hier ist eine gerechte Sache: »Denn dieser Krieg ist gerecht und notwendig, und die Waffen sind heilig, wenn auf nichts als auf sie zu hoffen ist. « Hier ist alles bereit, und wo das der Fall ist, kann es nicht schwerfallen, wofern man nur dem Beispiel derer folgt, die ich als Vorbilder aufgestellt habe. Überdies hat Gott Zeichen und Wunder ohnegleichen gesandt; das Meer hat sich aufgetan, eine Wolke hat Euch den Weg gezeigt, aus dem Felsen ist Wasser geflossen, Manna ist vom Himmel geregnet, alles hat sich vereint zu Eurer Größe; das übrige müßt Ihr selbst tun. Gott tut nicht alles, um uns nicht die Freiheit des Willens zu nehmen, noch den Teil des Ruhmes, der uns gebührt. Auch ist es nicht zu verwundern, daß keiner der genannten Italiener das hat vollbringen können, was man von Eurem erlauchten Hause erhoffen kann, und daß trotz so vieler Umwälzungen Italiens und trotz so vieler Kriegsläufte die kriegerische Tugend erloschen scheint. Denn dies kommt daher, daß die alten militärischen Einrichtungen nichts taugten und daß keiner aufgetreten ist, der neue zu erfinden gewußt hätte.


"Teil II Der Fürst - Kapitel XXVI - Aufruf, Italien von den Barbaren zu befreien"



Nichts bringt einem zur Macht Aufstrebenden mehr Ehre als neue Gesetze und neue Einrichtungen, die er erfindet. Sind diese gut begründet und besitzen sie Größe, so tragen sie ihm Verehrung und Bewunderung ein, und es fehlt in Italien nicht an Stoff zu jeder Art von Neugestaltung. Groß ist die Kraft in den Gliedern, wenn sie nur nicht in den Köpfen gefehlt hätte. Man sehe nur, wie die Italiener in Zweikämpfen und Einzclgefechten durch Kraft, Geschicklichkeit und Verstand sich hervortun. In den Heeren aber ist davon nichts zu merken; und das kommt alles von der Schwäche der Führer; denn die, welche ihr Handwerk verstehen, wollen nicht gehorchen, und einer wähnt es so gut zu verstehen wie der andere, weil bisher noch keiner durch Tüchtigkeit oder Glück so hervorragte, daß die ändern sich gefügt hätten. So kommt es, daß seit langer Zeit und in den vielen Kriegen der letzten zwanzig Jahre kein Heer, das nur aus Italienern bestand, etwas geleistet hat. Das beweisen die Schlachten am Taro, bei Alessandria, Capua, Genua, Vailà, Bologna und Mestre. Will also Euer erlauchtes Haus das Beispiel jener Trefflichen nachahmen, die ihr Vaterland befreit haben, so kommt es vor allen Dingen darauf an, eine eigne Kriegsmacht zu schaffen, welche die Grundlage jeder Unternehmung bildet; denn es gibt keine treueren, echteren und besseren Soldaten. Wenn schon jeder einzelne gut ist, so werden sie alle miteinander noch besser, sobald sie von ihrem eigenen Fürsten geführt werden und sich von ihm geehrt und gut behandelt sehen.


"Teil III Der Fürst - Kapitel XXVI - Aufruf, Italien von den Barbaren zu befreien"



Es ist also nötig, eine solche Streitmacht zu schaffen, um sich mit italienischer Tapferkeit gegen die Fremden zu wehren. Und obgleich das schweizerische und das spanische Fußvolk für furchtbar gelten, so haben doch beide ihre Fehler, die einer dritten Streitmacht nicht nur die Möglichkeit zum Widerstand geben, sondern auch die Hoffnung auf Sieg. Denn die Spanier halten der Reiterei nicht stand, und die Schweizer fürchten das Fußvolk, wenn sie auf solches stoßen, das ebenso hartnäckig ficht wie sie. So hat man es erlebt und wird es noch weiter erleben, daß die Spanier den Angriff der französischen Reiterei nicht aushaken und daß die Schweizer dem spanischen Fußvolk unterliegen. Vom letzeren haben wir zwar noch keine vollständige Erfahrung; jedoch hat man eine Probe davon in der Schlacht von Ravenna gesehen, wo das spanische Fußvolk mit deutschen Heerhaufen zusammentraf, welche dieselbe Schlachtordnung haben wie die Schweizer. Die Spanier in ihrer Körpergewandtheit und mit ihren kleinen Schilden drangen unter ihren Spießen durch in sie ein und waren dabei im Angriff gedeckt, ohne daß die Deutschen sich gegen sie hätten wehren können; und wäre die Reiterei nicht über sie hergefallen, hätten sie sie alle überwältigt. Man kann also, da die Mängel jener beider Fußvölker erkannt sind, ein drittes schaffen, das der Reiterei widersteht und anderes Fußvolk nicht zu fürchten braucht. Dieses wird nicht durch die Art der Waffen, sondern durch die veränderte Schlachtordnung erreicht. Das sind die neuen Einrich tungen, die einem neuen Fürsten Ruhm und Größe verleihen. Man lasse also diese Gelegenheit nicht vorübergehen, auf daß Italien nach so langer Zeit seinen Retter erscheinen sehe. Ich finde keine Worte dafür, mit welcher Liebe er in all den Ländern aufgenommen würde, die unter fremder Bedrückung gelitten haben, mit welchem Rachedurst, welcher unwandelbaren Treue, welcher Ehrfurcht, welchen Tränen! Welche Tore würden sich ihm verschließen? Welches Volk würde ihm den Gehorsam versagen? Welcher Neid könnte sich gegen ihn regen? Welcher Italiener würde ihm die Ehrerbietung verweigern? Jeden ekelt die Herrschaft der Barbaren. So ergreife denn Euer erlauchtes Haus diese Aufgabe mit dem Mut und der Hoffnung, womit gerechte Unternehmungen begonnen werden, damit das Vaterland unter seinen Fahnen geadelt werde und unter seiner Führung das Wort des Petrarca in Erfüllung gehe: Wenn Tapferkeit den Rasenden Entgegentritt, so wird der Kampf nicht lang: Noch ist die Kraft des Altertums in italienischen Herzen nicht erstorben.


"Teil IV Der Fürst - Kapitel XXVI - Aufruf, Italien von den Barbaren zu befreien"




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