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Ich habe mit Filippo darüber gesprochen, ob es gut sei, mein Werkchen zu überreichen oder nicht; und ob es im ersten Falle gut sei, es selbst zu bringen, oder es Euch zu senden. Wenn ich es nicht überreiche, besorge ich, es werde von Giuliano doch gelesen werden, und dieser Ardinghello werde sich die Ehre meiner letzten Anstrengung zuschreiben. Fürs Überreichen spricht die dringende Notwendigkeit - ich zehre mich auf und lange kann ich´s nicht so treiben, ohne vor Armut verächtlich zu werden, - dann mein Wunsch, daß mich die Herren Medici zu verwenden begönnen, sollten sie mich auch anfangs einen Fels wälzen lassen. Wenn ich sie mir dann nicht gewänne, würde es meine Schuld sein. Ich meine deshalb, wenn meine Schrift gelesen würde, so würde man sehen, daß ich die 15 Jahre, die ich mit dem Studium der Staatskunst zugebracht, weder verschlafen noch vertändelt habe; und jedermann sollte sich gerne eines solchen bedienen, der auf fremde Kosten reich an Erfahrung ist. An meiner Treue sollte man nicht zweifeln; da ich immer die Treue bewahrt, dürfte ich nicht lernen, sie jetzt zu brechen. Wer 43 Jahre lang, so alt bin ich, treu und redlich gewesen, dürfte wohl seinen Charakter nicht mehr ändern können; und Zeuge meiner Treue und Redlichkeit ist meine Armut.

Ich wünschte, daß Ihr mir schriebet, was Ihr von der Sache haltet. Ich empfehle mich Euch.

Sis felix

Die 10. Dezembris 1513

Niccolo Machiavelli


"Teil V Brief an Francesco Vettori - 10. Dezember 1513"



Ich gehe hiernächst zu den andern oben erwähnten Eigenschaften über, und sage: Ein jeder Fürst muß wünschen, für gütig, und nicht für grausam zu gelten. Nichtsdestoweniger muß er bedacht seyn, diese Güte nicht übel anzuwenden. Cäsar Borgia galt für grausam; nichtsdestoweniger hatte diese seine Grausamkeit Romanien wiederhergestellt, es vereinigt, Treue und Friede darin befestigt. Erwägt man dieß wohl, so wird man sehen, daß er bei weitem gütiger als das Florentinische Volk gewesen ist, welches, um nicht als grausam verrufen zu werden, Pistoja zerstören ließ. Es darf daher ein Fürst um den Namen des Grausamen sich nicht kümmern, wenn er seine Unterthanen einig und treu erhalten will; denn, mit Statuirung sehr weniger Exempel, wird er gütiger seyn, als Jene, die aus zu großer Güte die Unordnungen einreißen lassen, aus denen Mord und Raub entspringt: denn diese pflegen eine ganze Gemeinheit zu kränken: jene Executionen aber, die vom Fürsten ausgehen, kränken nur einen Einzelnen. Und vor allen Fürsten ist es dem neuen Fürsten unmöglich, den Namen des Grausamen zu umgehen, weil die neuen Staaten voller Gefahr sind. Weßhalb Virgil durch den Mund der Divo die Unmenschlichkeit ihrer Regierung entschuldigt, weil diese neu sey, indem sie sagt:

Res dura, et regni novitas me talia cogunt

Moliri, et late fines custode tueri.


"Teil I Der Fürst - Kapitel XVII - Von der Grausamkeit und der Mitleid und ob es besser sei, geliebt als gefürchtet zu werden oder umgekehrt"



Nichtsdestoweniger muß er langsam zum Glauben und Beschließen seyn, und muß sich nicht selber zu fürchten machen; sondern mit Klugheit und Menschlichkeit so gemäßigt zu Werke gehen, daß weder zu großes Vertrauen ihn unvorsichtig, noch zu großes Mistrauen unleidlich mache.

Hieraus entsteht die Frage: ob es besser sey, geliebt zu werden als gefürchtet, oder besser gefürchtet zu werden als geliebt? Ich antworte: beides sollte man seyn. Weil es sich aber schwer zusammen vereinigen läßt: daß sie undankbar, veränderlich, zur Verstellung geneigt, den Gefahren abhold, begierig nach Gewinne sind; und so lange du ihnen Gutes thust, sind sie alle dein, verschreiben dir ihr Blut und Leben, Habe und Kinder, wie schon gesagt, wenn das Bedürfniß im Weiten liegt; wenn es aber herankommt, empören sie sich: und der Fürst, der sich, entblöst von andern Vorkehrungen, auf ihre Worte allein gestützt hat, geht unter; weil die Freundschaften, die man um Lohn, und nicht durch Größe und Adel des Geistes sich erwirbt, auf Zinsen stehen; aber man hat sie nicht, und kann sie im Falle nicht verwenden. Und die Menschen nehmen weniger Anstand, Einen, der sich lieben macht; weil die Liebe an einem Bande hängt, das, da die Menschen schlimm sind, auf jeden Anlaß des eignen Nutzens zerrissen wird; hingegen die Furcht hängt fest an einem Schrecken vor Strafe, welches dich niemals verläßt.


"Teil II Der Fürst - Kapitel XVII - Von der Grausamkeit und der Mitleid und ob es besser sei, geliebt als gefürchtet zu werden oder umgekehrt"




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